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Mittelbayerische Zeitung – Ein Bauverein, der Regensburg prägt

Die Wohnbau St. Wolfgang feiert heuer ihr 125-jähriges Bestehen. Die Schaffung bezahlbaren Wohnraums ist ihr vorderstes Ziel.

Von Wolfgang Ziegler, 27.02.2020, erschienen in der Mittelbayerischen Zeitung

Zum 125. Jubiläum richtet sich der Blick der Wohnbau St. Wolfgang (WBW) nicht nur zurück. Die größte Baugenossenschaft der Stadt schaut vielmehr nach vorne, will in der Zukunft weiter wachsen und nicht nur in Regensburg zum „big player“ in ihrem Marktsegment
werden.

Die Vorstände Markus Leberkern und Dieter Scheil formulieren es bescheiden, obwohl sie Großes vorhaben: „Regensburg wächst und deshalb
müssen wir auch wachsen. Wir wollen nicht unbedeutender werden.“

Tatsächlich haben sie ihre Genossenschaft im Jubiläumsjahr reich beschenkt und damit gleichzeitig Pflöcke eingeschlagen: Seit dem 1. Januar gibt es zwei neue Tochtergesellschaften. Die WBW Haustechnik GmbH ist auf den Gebieten Heizung, Lüftung, Sanitär aktiv, beschäftigt einen Meister und sechs Monteure und kümmert sich in erster Linie um die eigenen Projekte. Wenn trotz der aktuell 950 Wohnungen noch genügend Spielraum bleibt, soll der Handwerksbetrieb aber auch extern auf dem Markt auftreten. Die zum gleichen Zeitpunkt gegründete WBW Immobilien GmbH agiert indes noch nicht. Sie wird im Bauträgergeschäft tätig werden und soll schon bald Grundstücke kaufen, schlüsselfertige Doppel- sowie Reihenhäuser bauen und diese dann verkaufen.

Neue Kindertagesstätte

Ein Geschenk gibt es auch für Regensburg. In der Bischof-Wittmann-Straße,
also quasi in ihrer unmittelbaren Heimat, wird die Wohnbau St. Wolfgang
für die Stadt am Standort des gegenwärtigen Kindergartens eine neue
Kindertagesstätte mit drei Kindergrippengruppen à zwölf Kinder errichten.
Wie Markus Leberkern im Gespräch mit der Mittelbayerischen erklärte, sei
das Gebäude Bischof-Wittmann-Straße 37 „schon mehrfach angestückelt“
worden – mit weitreichenden Folgen: Die Fenster seien nicht auf dem
gleichen Niveau, die Dachformen seien unterschiedlich, es gebe zwei
Treppenhäuser sowie nicht funktionierende Flucht- und Rettungswege.
Daher habe sich die Genossenschaft zu einem Abriss entschlossen.

Bis dahin sei aber noch ein Stück Weg, wie Dieter Scheil ergänzte. Die
Verkaufsverhandlungen liefen zwar, aber noch sei die WBW nicht
Eigentümerin des Gebäudes. Die Baupläne sind dennoch bereits eingereicht.
Und diese sehen Neubauten und einen Lückenschluss zum Anwesen
Bischof-Wittmann-Straße 39 vor, wodurch „eine schöne Innenhofsituation“
geschaffen und gleichzeitig eine Lärmbarriere errichtet wird. Neben der
Kindertagesstätte sieht die Planung insgesamt 30 neue Wohnungen vor – in
dieser Top-Lage. Die Arbeiten sollen nach dem Willen der WBW
schnellstmöglich beginnen.

Großprojekt in Kumpfmühl

Die Mieter der Wohnbau St. Wolfgang, jedenfalls ein Teil davon, sollen im
Jubiläumsjahr ebenfalls nicht zu kurz kommen. Neben der laufenden
Generalsanierung in den Gebäuden in der Kumpfmühler Straße gegenüber
der Theresienkirche, stehen auch die WBW-Häuser Augsburger Straße 9 bis 15a im Fokus. Dort werden an 48 Wohnungen Balkone angebaut und ein
neues Wärmeverbundsystem installiert – „auch ein Projekt, das nicht mehr
sechsstellig ist“, wie es Markus Leberkern formulierte.

In der Augsburger Straße will die Genossenschaft im Jubiläumsjahr aber
auch ein wirkliches Großprojekt in Angriff nehmen. Die vier innen-liegenden Häuser mit den Nummern 8, 10, 14 und 16 werden noch im kommenden Herbst abgerissen und dort mit Neubauten zum einen anstelle der gegenwärtig 24 Wohnungen dann 37 geschaffen, zum anderen auf einer
Fläche von rund 400 Quadratmetern die neuen Büros der Baugenossen-schaft entstehen. Die WBW-Mitarbeiter, die seit nunmehr zwölf Jahren in zunehmend beengten Verhältnissen tätig sind, sollen mehr Luft bekommen – und werden auf diese Weise auch beschenkt, wenngleich die Fertig-stellung ihrer neuen Arbeitsplätze erst für Ende 2022/Anfang 2023 geplant ist. Die relativ lange Bauzeit ergibt sich unter anderem aus der notwendigen Erweiterung der dortigen Tiefgarage.

Auftrag: Bezahlbarer Wohnraum

Die Gründerväter des damaligen „St. Wolfgangsbauvereins“ um den ersten
Vorstandsvorsitzenden Josef Habbel hätten sich 1895 bestimmt nicht
träumen lassen, was aus ihrer aus der Wohnungsnot heraus geborenen
Initiative einmal werden wird. Seinerzeit überließ die Kirche dem neu
gegründeten Verein einen Teil ihrer Gärten, die damals vor den Toren der
Stadt lagen – und gab damit indirekt den Startschuss für eine rasante
Entwicklung.

Denn nur ein Jahr später wurde bereits ein Wohnhaus mit 18 Wohnungen eingeweiht. Buchdruckereibesitzer Habbel – heute würde man ihn vermutlich als Verleger titulieren – brachte dort am Anfang in erster Linie seine eigenen Beschäftigten unter, um sie durch ein festes Dach über dem Kopf langfristig an das Unternehmen zu binden. In den ersten Jahrzehnten trieb der Verein seine Bautätigkeit aber deutlich voran und prägte das Gesicht des Stadtteils Kumpfmühl entscheidend mit.

So zielstrebig die Genossenschaft über all die Jahre arbeitete, so beständig war auch ihre Leitung. In den 125 Jahren des Bestehens gab es nur sieben Vorstandsvorsitzende – inklusive der beiden heute amtierenden. Sie alle folgten dem Satzungsauftrag „bezahlbaren Wohnraum für eine breite Bevölkerungsschicht zu erbauen und zu erhalten“. Dieter Scheil übersetzte diese Worte von 1895 im Gespräch mit unserer Zeitung so: „Wir müssen solide, kostengünstig und praktisch bauen, damit wir günstig vermieten können.“